Die Zukunft der Mobilität

Interview mit Dr. Gottfried Greschner

>> 2016 war ein Jahr voller einschneidender Veränderungen. Was war für Sie die wichtigste Entwicklung bei init?

Das Wichtigste für uns war, dass wir in den USA mit einem Schlag führender Anbieter für E-Ticketing geworden sind. Wir haben sehr große Ausschreibungen dafür gewonnen, wie zum Beispiel in Tampa in Florida und in Honolulu auf Hawaii. Und was natürlich auch besonders wichtig war: Nach zwei schwachen Jahren hatten wir damit 2016 wieder einen hervorragenden Auftragseingang. Darüber hinaus haben wir den Bereich E-Ticketing verstärkt: durch die Akquisition eines 26-prozentigen Anteils an Bytemark, einem Anbieter von Ticketing-Apps für Smartphones, mit dem wir in den USA schon sehr lange zusammenarbeiten, und durch die Übernahme von 100 Prozent der HanseCom Public Transport Ticketing Solutions GmbH. HanseCom verwaltet einen Großteil der Fahrgeldeinnahmen deutscher Verkehrsbetriebe und hat zahlreiche Kunden beim Handy-­­Ticketing. Dieser Bereich ist im letzten Jahr um 40 Prozent gewachsen. Wir bauen darauf, dass er auch international erheblich wachsen wird.

>> Es gab in 2016 gerade in den USA ja einschneidende politische Veränderungen. Plötzlich ist Protektionismus wieder ein Thema, das vielen Sorge bereitet. Wie sehen Sie das für init?

init produziert schon seit Jahren auch in Amerika, weil dort schon immer „Buy America“ als Vorschrift galt. Da ändert sich unseres Erachtens mit der neuen Regierung gar nichts. Im Gegenteil, wir erarbeiten uns vielleicht bessere Chancen, weil Anbieter, die noch nicht in dem Umfang in Amerika produzieren wie wir, eher mit Schwierigkeiten zu rechnen haben.

>> Schlagworte wie Digitalisierung, Big Data oder Industrie 4.0 haben in diesem Jahr die öffentliche Diskussion geprägt. Wie haben Sie das in Ihrem Geschäft wahrgenommen?

Wir haben auf einmal eine viel größere Bereitschaft bei unseren Kunden festgestellt, sich mit neuen Lösungen auseinanderzusetzen. Deshalb haben wir auch unsere Forschungsanstrengungen erheblich erhöht. Beispielsweise nehmen wir an einem Forschungsprojekt teil, das sich mit dem Thema Elektromobilität beschäftigt. Hier ist unsere Aufgabe, die Planung für Verkehrsbetriebe in Echtzeit so zu optimieren, dass Busse effizient aufgeladen werden können und nicht irgendwo auf der Strecke liegen bleiben. Ein anderes Thema ist die automatische Erkennung von und Reaktion auf Gefährdungsszenarien an Haltestellen und in Fahrzeugen.

>> In vielen Märkten kommen durch die Digitalisierung neue Wettbewerber ins Spiel. Registrieren Sie auch entsprechende Bewegung im Markt für Verkehrstelematik?

Natürlich gibt es neue, kleine Anbieter, die versuchen in diesen Markt einzudringen. Wir haben darauf reagiert, indem wir unser Produkt- und Dienstleistungsspektrum entsprechend erweitert haben. So haben wir auch das Bedürfnis unserer Kunden aufgegriffen, den technischen Betrieb oder Teile davon an Partner wie init zu vergeben. Das machen wir bereits in Luxemburg und demnächst voraussichtlich auch in einigen anderen Städten in der ganzen Welt. Das ist eine spannende Sache, weil das von der Größenordnung her über viele Jahre das Auftragsvolumen der ursprünglichen Investition oft sogar noch übertrifft. Dafür haben wir intern unsere Strukturen angepasst und aus zwei Teams eine Abteilung gebildet, die primär die Hotline für unsere Kunden betreibt, aber auch den reibungslosen Betrieb und die Wartung der Systeme sicherstellt. Das ist, glaube ich, der richtige Weg, um bei und für den Kunden eine optimale Dienstleistung zu gewährleisten.

>> Was ist für Sie mit Blick auf die nächsten Jahre die wichtigste Entwicklung in der Technologie?

Die Digitalisierung. Früher mussten wir unsere Kunden überzeugen, dass digitale Lösungen ihnen überhaupt irgendetwas bringen. Heute fragen die Kunden uns danach und wollen insbesondere ihre IT-Landschaft vereinheitlichen. Ein Beispiel: Ein Kunde hat heute die Fahrscheinautomaten von einem Wettbewerber, das Leitsystem ist von init, das Ticketingsystem und noch eine App dazu hat er von jemand anders gekauft. All diese Systeme müssen entsprechend mit Daten versorgt werden. Das ist ein großer Aufwand. Wir vertreten hier schon immer eine integrierte Lösung. Es muss eine zentrale Datendrehscheibe geben, die alle Systeme mit Daten versorgt und wo sich alle in Echtzeit bedienen können. Nur so kann die Konsistenz aller Daten sichergestellt werden. Das ist der Schlüssel, wie Verkehrsbetriebe in Zukunft wettbewerbsfähiger werden können. Und auf diesem Feld sind wir sehr gut aufgestellt. In Deutschland, in den USA und auch in Großbritannien haben wir schon große Projekte durchgeführt, weitere sind im Aufbau. Damit haben wir eine sehr gute Position für das weitere Wachstum und wollen hier der führende Anbieter werden.

>> Sie haben bei der init bereits frühzeitig die Weichen gestellt hinsichtlich der Integration von Daten auch über verschiedene Verkehrssysteme. War das auch ein Beweggrund für die Akquisitionen?

Ja, wir haben damit unser Produktspektrum zielgerichtet ergänzt. Zu einer integrierten Lösung gehören heute auch Ticketingsysteme, sogenannte ID-basierte Systeme, mit denen sich auch andere Order- und Zahlungssysteme einbinden lassen. Wir können uns sogar vorstellen, dass wir alle unterschiedlichen Zahlungssysteme für Mobilität in einer Stadt integrieren. Das beginnt mit dem Einsatz eines autonomen Busses oder Carsharing als Zubringer, geht über die Straßenbahn und endet beim Leihfahrrad. All das kann über unser System geplant, optimiert und entsprechend abgerechnet werden.

>> Sie haben in 2016 viel in die Entwicklung neuer Technologien investiert. Das ging zu Lasten der Marge. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung?

Die Marge wird durch die erhöhten Forschungsaufwendungen und durch den Einstieg in die neuen Technologien sicher auch 2017 nicht so hoch sein können wie in der Vergangenheit. Sie ist aber immer noch angemessen. Ich gehe davon aus, dass sich mit einer erheblichen Umsatzsteigerung in 2018 auch wieder eine Margenverbesserung erreichen lässt. Die hohen Investitionen werden sich dann auszahlen.

>> Das lässt ja für die Zukunft einiges erwarten. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Entwicklung des Aktienkurses der init?

Ich bin von der Entwicklung des Aktienkurses im Vergleich zu unseren Wettbewerbern enttäuscht. In Amerika ist da viel mehr Fantasie drin. Der Großkonzern etwa, zu dem ein Wettbewerber in den USA gehört, hat beispielsweise ein KGV von über 60. Ich wüsste nicht, warum das KGV der init innovation in traffic systems SE so viel schlechter sein sollte.