ASSISTIVEtravel: digitale Unterstützung für Fahrgäste mit Behinderungen

INITs ASSISTIVEtravel-App lässt sich leicht einrichten und bietet danach Features, die auf die spezielle Einschränkung des Nutzers ausgelegt sind. Als digitaler Fahrtbegleiter unterstützt sie den Nutzer in jedem Stadium seiner Fahrt.

Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen – immerhin 9,5 % der Gesamtbevölkerung. Ein nicht unwesentlicher Anteil ist aufgrund der Art oder der Schwere ihrer körperlichen Einschränkung gezwungen, auf einen eigenen PKW zu verzichten. Um dennoch ein mobiles, selbstbestimmtes Leben führen zu können, sind sie auf die Nutzung des ÖPNVs angewiesen. Doch sie benötigen Unterstützung – von der Rollstuhlrampe bis zum digitalen Beistand. Eine solche digitale Hilfe ist INITs Reiseassistenzsystem ASSISTIVEtravel. Über eine Smartphone-App können Nutzer für sie angepasste Echtzeit-Informationen erhalten, eine Vorlesefunktion nutzen, Fahrer nach einem freien Rollstuhlplatz fragen und um weitere Unterstützung bitten. Das System überträgt die Echtzeit-Informationen sogar auf Hörgeräte. 

Fahrgastinformation und -inklusion

Menschen mit körperlichen Einschränkungen haben es in vielerlei Hinsicht schwerer als andere – für den Zugang zum ÖPNV sollte dies eigentlich nicht gelten. Aus diesem Grund sieht der deutsche Nahverkehrsplan laut § 8 Abs. 3 PBefG vor, „für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen“. Dafür genügt es nicht, Niederflurfahrzeuge einzusetzen oder Haltestellen umzurüsten. Der Begriff Barrierefreiheit berücksichtigt vielmehr den kompletten Weg von A nach B – und der beginnt in der Regel daheim. Auch Kommunikation und Information sind deshalb einzubeziehen.

Digitaler Reisebegleiter für Menschen mit Behinderungen

Die Planung einer Fahrt findet heute zumeist mithilfe elektronischer Medien statt. Moderne Apps zeigen Abfahrtszeiten an oder weisen auf Verspätungen hin. Die besonderen Mobilitätsbedürfnisse von Fahrgästen mit Seh­-, Hör-­ oder Körperbehinderungen berücksichtigen sie jedoch nicht. Dabei wäre eine Smartphone­-App, die nicht nur in ihrer Bedienung barrierefrei ist, sondern diese Menschen auch mit speziellen Funktionen und Eigenschaften unterstützt, besonders hilfreich. All das leistet INITs App ASSISTIVEtravel. Sie steht den Nutzern in jedem Stadium ihrer Reise zur Seite, liefert Echtzeit-­Informationen, und zwar nicht nur zur Abfahrtszeit, sondern auch zur aktuellen Position des Fahrzeugs während der Fahrt sowie kurz vor der Ausstiegshaltestelle.

Auf den Nutzer ausgerichtet

Jeder Nutzer legt als Erstes die Art seiner Einschränkung fest (Seh-, Hör- oder Mobilitätseinschränkung oder eine Kombination mehrerer Einschränkungen) und gibt damit für die Zukunft an, wie das System ASSISTIVEtravel ihm helfen soll. Damit erfolgt auch eine Anpassung des Bedienkonzeptes der App. Darüber hinaus kann sich der Nutzer für eine Fahrt anmelden und damit neben einer Routenanzeige und Echtzeit­-Fahrtinformationen stets weitere spezifische Unterstützung erhalten. Die App nutzt die Augmented­-Reality­-Funktion der Smartphone-Kamera: Damit ermittelt die App die Position und zeigt alle Haltestellen der näheren Umgebung an, deren Distanz und Richtung sowie alle bevorstehenden Abfahrten von der ausgewählten Starthaltestelle. Fahrgäste mit Seheinschränkungen können die Kartendarstellung und Augmented-­Reality­-Funktionen ausblenden und auf ein vereinfachtes Design mit starken Kontrasten sowie Text-­to­-Speech­-Navigation (Vorlesefunktion) zurückgreifen – ein wichtiges Merkmal einer barrierefreien App. Selbst grafische Elemente wie etwa Pfeile oder Balken, die den Fortschritt der Fahrt anzeigen, werden übersetzt.

Barrierefreie Nutzeroberfläche

Ohnehin wurde bei der Gestaltung der App großer Wert auf Barrierefreiheit gelegt, etwa durch die Nutzung starker Kontraste und den Verzicht auf Pop-­up­-Fenster. Außerdem unterstützt die App die Bedienungshilfen des Handy-­Betriebssystems, wie die Zoomfunktion und den Screenreader. Seheingeschränkte Nutzer erhalten akustische Signale zur geplanten und aktuellen Fahrt. Die App triggert außerdem automatisch Außenansagen an Bus oder Bahn (Linie und Endhaltestelle). Das gibt den Nutzern die Gewissheit, in das richtige Fahrzeug einzusteigen. Sie können außerdem sicher sein, die Ausstiegshaltestelle nicht zu verpassen.

Der Busfahrer erhält eine Benachrichtigung, wenn Fahrgäste mit körperlichen Einschränkungen ein- oder aussteigen möchten. Hier ein Fahrercockpit während des Testprojektes in Singapur.

Revolutionär: die Einbeziehung der Fahrer

Reisende im Rollstuhl werden darüber informiert, ob im nächsten Bus/der nächsten Bahn Platz für sie ist. Sie erfahren rechtzeitig, wenn sich das Fahrzeug ihrer Ausstiegshaltestelle nähert, um ausreichend Zeit zum Aussteigen zu haben. Ganz wesentlich dafür ist die Kommunikation zwischen der App und dem Intermodal Transport Control System (ITCS) des Unternehmens. Die App überträgt die Anfrage des Nutzers an das ASSISTIVEtravel Backend. Von dort wird sie an das ITCS übertragen. Die Kommunikationsverbindung des Backend zum ITCS basiert auf dem offenen Standard VDV431 (TRIAS). Dadurch ist die Integration in INITs MOBILE­-ITCS oder andere Intermodal Transport Control Systeme schnell und einfach möglich. Der Bordcomputer stellt die Information vor der Ein­- bzw. Ausstiegshaltestelle auf dem Fahrermonitor zur Verfügung. Der Fahrer erfährt durch diese Anzeige vor jeder Haltestelle, wenn mobilitätseingeschränkte Fahrgäste am Haltepunkt warten oder das Fahrzeug verlassen wollen. Er kann ihnen so bei Bedarf beim Ein-­ oder Aussteigen behilflich sein. Er kann ihnen auch über die App mitteilen, ob die Rollstuhlplätze frei oder belegt sind. Hörgeschädigten Fahrgästen bietet ASSISTIVEtravel akustische Hilfe im Fahrzeug. Sie erhalten Informationen zur nächsten Haltestelle nämlich direkt über ihre Hörhilfe. Die Voraussetzung dafür ist eine drahtlose T­-Spule (Induktionsspule) im Gerät – heutzutage ein Standardfeature von Hörgeräten. Aber auch andere Technologien sind möglich. Somit leistet die App unschätzbare Dienste für Personen mit Beeinträchtigungen. Sie ist ihr personalisierter digitaler Reisebegleiter.

Erfolgreiches Testprojekt in Singapur

Seine erfolgreiche Premiere feierte das Reiseassistenzsystem im Rahmen eines 2018 in Singapur gestarteten Testprojektes. Dort können Fahrgäste auf einer ausgewählten Buslinie in einer Reihe von Testfahrzeugen ihre Fahrt mit ASSISTIVEtravel planen und durchführen. Für den Testbetrieb wurden die ausgewählten Busse mit INITs COPILOTpc, der IT-­ und Kommunikationsplattform im Fahrzeug, INITs TOUCHmon, dem Bordrechner­-Bedienteil mit Touchscreen, sowie internen und externen Lautsprechern und T-­Loop­-Amplifiern ausgerüstet – ASSISTIVEtravel ist aber auch mit anderer Bordhardware nutzbar. Das unter dem Namen MAVIS (kurz für: Mobility Assistance for Visually Impaired and Selected Users) durchgeführte Gemeinschaftsprojekt der Land Transport Authority (LTA), der Singapurer Hilfsorganisation SG Enable sowie INIT sollte sehbehinderten, hörgeschädigten oder mobilitätseingeschränkten Nutzern eine maßgeschneiderte Fahrgastinformation zukommen lassen. Es erwies sich als voller Erfolg und wird nun fortgesetzt: Im Sommer 2021 werden zwei weitere Buslinien für MAVIS eingerichtet.  

Preisgekrönte Inklusion

Mit der ASSISTIVEtravel App als Herzstück fand MAVIS weithin Beachtung und erhielt Auszeichnungen: Auf dem UITP Global Public Transport Summit in Stockholm 2019 bekam das Projekt den UITP Award in der Kategorie „Diversity and Inclusion“ und zudem den UITP Asia Pacific Special Recognition Award.

Auf dem UITP Global Public Transport Summit im Juni 2019 wurde das Projekt MAVIS – als Herzstück diente die ASSISTIVEtravel-App – mit zwei Preisen ausgezeichnet. Es freuen sich (v.l.) INIT-Geschäftsführer Klaus Janke, INIT-Projektmanagerin Dr. Roxana Hess, LTA-Chief Executive Ngien Hoon Ping und LTA-Deputy Chief Executive for policy and planning Jeremy Yap

Flexibel einsetzbar

App und Backoffice­-System lassen sich selbstverständlich an die Bedürfnisse von Verkehrsunternehmen weltweit anpassen. So bildet ASSISTIVEtravel das ideale Grundgerüst für eine Barrierefreiheit, wie sie im deutschen Nahverkehrsplan gefordert wird.

Kontakt

Dr. Roxana Hess

Product Manager MaaS
Team Manager Research
INIT GmbH
Deutschland