Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden
Dr. Gottfried Greschner

>> 2017 war ein ereignisreiches Jahr – wie war es für init?
Das Bemerkenswerteste war, dass wir es geschafft haben, so einen hohen Auftragseingang zu erzielen, den zweithöchsten der Firmengeschichte. Und dass wir weiterhin auf dem Gebiet des ID-/Account-based-Ticketing in den USA so erfolgreich geblieben sind und unsere Marktführerschaft eher noch ausbauen konnten. Darüber hinaus haben wir viel in Akquisitionen investiert, wobei wir von vornherein wussten, dass da noch Restrukturierungsaufwendungen notwendig waren. Ich denke, da sind wir jetzt auf einem sehr guten Weg, sodass wir in diesem Jahr auch hier den Turnaround schaffen werden und sogar einen kleinen positiven Gewinn.
>> Wie ist die jüngste Akquisition der init da einzuordnen, die finnische Mattersoft?
Mattersoft war aus unserer Sicht ein Glücksgriff, weil die Software, die sie entwickelt haben, hervorragend in unser Produktspektrum passt. Mattersoft war bislang fast ausschließlich in Finnland tätig, und wir eröffnen ihnen jetzt den gesamten amerikanischen Markt. Wir glauben, dass es allein aufgrund dieser Tatsache eine sehr lohnende Akquisition ist. Im Übrigen ist Mattersoft bereits heute hoch profitabel.
>> Ein Schwerpunkt der Akquisitionen war der Bereich Handy- Ticketing/ Smart Ticketing. Was erwarten Sie an Zuwächsen?
Wir wachsen da jetzt schon stark. Im Bereich Handy-Ticketing haben wir die HanseCom in Hamburg akquiriert, die einen erheblichen Umsatzbeitrag leisten wird. Mit ihrer Software werden 60 Prozent der Fahrgeldeinnahmen des ÖPNV in Deutschland abgerechnet. Darüber hinaus sind wir damit beim Handy-Ticketing in Deutschland in einer führenden Position, weil wir insgesamt rund 50 Städte als Kunden haben. In NRW bieten wir bereits eine flächendeckende Lösung an. Das unterscheidet uns von allen Wettbewerbern.
>> Welche großen Projekte könnten in Zusammenhang damit auf init zukommen?
Ich will da nicht zu viel verraten, aber in den USA sind wir in der Größenordnung von mehr als 100 Mio. US-Dollar an Ausschreibungen beteiligt, wo wir uns gute Chancen ausrechnen. Aber erfahrungsgemäß gewinnt man natürlich nicht alle Projekte.
>> Wie sind die Perspektiven für Europa und Deutschland?
Unser Geschäft in Europa und Deutschland wird stark wachsen können, indem wir das bestehende Kundenpotenzial besser ausschöpfen. Wir haben festgestellt, dass aus den bestehenden
Kundenbeziehungen inklusive Nachlieferungsaufträgen allein im letzten Jahr ein Auftragseingang von 35 Mio. Euro entstanden ist. Ich denke, das kann man noch erheblich ausbauen. Darüber hinaus gibt es die eine oder andere Großausschreibung in Deutschland und Europa, bei der ich uns als sehr chancenreich sehe. Wobei wir hier von Ausschreibungen in einem Volumen von mehr als 50 Mio. Euro sprechen.
>> Ein weiteres Wachstumsfeld zeichnet sich ab auf einem Gebiet, wo init ursprünglich herkommt, nämlich beim bedarfsgesteuerten Busverkehr. Wie schätzen Sie hier die Entwicklung ein?
Das ist ein sehr spannender Bereich. Bedarfsgesteuerter
Busverkehr heißt ja im Klartext, dass nicht alle Haltestellen
angefahren werden müssen, sondern nur die, wo tatsächlich Bedarf ist. Um das effizient zu gestalten, bedarf es entsprechender Optimierungsalgorithmen, die wir bereits vor Jahrzehnten entwickelt haben. Damit ist init ursprünglich mal gestartet. Leider gab es in den vergangenen Jahren wenig Potenzial für diese Technologie. Inzwischen haben wir jedoch
bereits zehn Regionen mit einem um die Funktion Bedarfsverkehr erweiterten Leitsystem ausgerüstet. Diesen Markt sehen wir aktuell als stark wachsend an und haben deshalb jetzt eine Projektgruppe gegründet, die sich ausschließlich damit beschäftigt.

>> Es gibt in Ländern wie den USA eine gesetzliche Verpflichtung für Verkehrsbetriebe, Angebote eines Bedarfsverkehrs mit Von-Haus-zu-Haus-Beförderung für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen vorzuhalten. Jetzt gibt es auch in Europa entsprechende Initiativen. Wie sehen Sie das aus der Warte der init?
Wir haben die Technologien dafür und Erfahrung hinsichtlich Bedarfsverkehr für Schwachlastgebiete und -zeiten. Deshalb freuen wir uns auf diese neue Herausforderung.
>> Bis wann erwarten Sie hier in Europa entsprechende Vorgaben und entsprechenden Nachfragezuwachs?
Die Nachfrage in Europa ist heute schon da. Insbesondere in Ergänzung zum Linienverkehr. Das ist ein Prozess, der bereits im Gange ist und der immer stärker kommen wird, weil in den Ballungszentren immer mehr Leute leben und im ländlichen Raum eher ein Rückgang der Bevölkerung zu verzeichnen ist. Dadurch lohnt sich dort ein reiner Linienverkehr nicht mehr.
>> Sehen Sie da schon erste größere Ausschreibungen in Europa?
Die Ausschreibungen, die jetzt kommen, sind üblicherweise so, dass man den bedarfsgesteuerten Verkehr zusätzlich als integralen Bestandteil des Linienverkehrs anbietet. Ich denke, das ist auch der richtige Ansatz, weil wir im Gegensatz zu den USA einen sehr guten öffentlichen Personennahverkehr haben.
>> Welche Wachstumsschwerpunkte setzen Sie für init im laufenden Jahr?
Am vielversprechendsten ist der Bereich Handy-Ticketing / Smart Ticketing, dieser Bereich wächst sehr stark. Darüber hinaus wollen wir die Software unserer neuen Tochter Mattersoft erfolgreich auf dem US-Markt platzieren. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, unsere
bestehenden Kundenbeziehungen intensiver zu betreuen und dort schlummernde Potenziale zu heben. Immer größer wird auch der Bedarf unserer Kunden, ganze technische Dienstleistungsbereiche ausgliedern und von zuverlässigen Partnern, wie der init, übernehmen zu
lassen. init kann für ihre Kunden z. B. den Austausch defekter Hardware, die Wartung von Geräten und Systemen und das Cash-Management übernehmen und einen 24/7-Service bieten – sozusagen ein „Rundum-sorglos-Paket“ für den Verkehrsbetrieb.

>> Welche Auswirkungen erwarten Sie von den Trends zur „Industrie 4.0“ und zur Elektromobilität konkret auf das Geschäft der init?
Sie treiben unser Geschäft an. Für Verkehrsbetriebe sind auch die Themen „Big Data“ und „Fast Data“ von Bedeutung, das heißt, die zur Verfügung stehenden Daten müssen so schnell wie möglich verarbeitet und an die relevanten Schnittstellen geliefert werden. Hier wächst bei unseren Kunden das Bewusstsein, welche Chancen die Digitalisierung bietet. Sie müssen Mobilität als Servicedienstleistung im Wettbewerb mit anderen anbieten, also den Fahrgästen auf ihren Smartphones und auf anderen Kanälen konkrete Angebote für ihre „Reise“ unterbreiten. Dazu brauchen sie Apps und Software, die alle Vorgänge von der Planung bis zum Ticketing integrieren und eine schnelle, unkomplizierte Abwicklung ermöglichen. Das ist unser Geschäft, dafür sind wir der richtige Partner. Die Elektromobilität stellt neue Anforderungen an die Betriebsplanung, weil E-Fahrzeuge kürzere Reichweiten, geringere Einsatzzeiten und höhere Rüstzeiten benötigen. Hierfür haben wir auf der IT-TRANS in Karlsruhe eine neue Software-Lösung zur Optimierung vorgestellt.
>> Mit welchen Zuwächsen rechnen Sie für den init-Konzern insgesamt in den nächsten Jahren?
Ich denke, dass wir an unsere langfristige Wachstumsdynamik wieder anknüpfen und mit Raten von 10 Prozent plus X pro Jahr wachsen können. Wenn unsere Wachstumsstrategie aufgeht, können wir in fünf Jahren auch einen Umsatz von 200–250 Mio. Euro erreichen.
>> Was bedeutet das für die Aktionärinnen und Aktionäre?
Ganz einfach – einen höheren Aktienkurs und steigende Dividenden. Übrigens, wer beim Börsengang 2001 51.000 Euro in die init-Aktie investierte, hat jetzt einen Gegenwert von mehr als 200.000 Euro auf dem Konto und hat in der Zwischenzeit – mit
der Dividende vom Geschäftsjahr 2017 – 51.400 Euro an Dividende vereinnahmen können. Das heißt, jeder Aktionär, der damals Aktien kaufte, hat mehr Dividende erhalten, als er seinerzeit investiert hat – und ist immer noch im Besitz aller Aktien, die heute viel mehr wert sind. init war also ein interessantes Investment und wird es auch in Zukunft sein.