Selbstfahrende Fahrzeuge – viele Pilotprojekte und wie geht es weiter?

Bild: Fahrerlos fahrende Züge und U-Bahnen sind weltweit schon länger im Einsatz, hier ein Zug der Docklands Light Railway in London

Die Einführung und Anwendung neuer Technologien hat in der Regel weitreichende Auswirkungen auf den einzelnen Menschen und auf die Allgemeinheit. Je gravierender diese Auswirkungen auf unseren normalen Alltag sind, als desto disruptiver, d.h. bahnbrechender empfinden wir eine derartige Innovation. Eindrückliche Beispiele für solche umwälzenden Technologien sind beispielsweise das Internet und Smartphones. Sie ermöglichen es uns heute ganz selbstverständlich, überall und jederzeit schnell Informationen bekommen, für die wir früher umfangreich in Bibliotheken recherchieren mussten. Ähnlich disruptive Auswirkungen auf die Gesellschaft werden gegenwärtig von der Einführung und Verfügbarkeit selbstfahrender Fahrzeuge erwartet. Diese autonom fahrenden Fahrzeuge sollen immer und überall Mobilität für jedermann ermöglichen. Die Voraussetzung dafür: Die entsprechende Technologie muss zur Verfügung stehen. Wenn man abgeschlossene und laufende Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu selbstfahrenden Fahrzeugen genauer betrachtet, beschäftigen sich diese im Wesentlichen mit zwei Fragestellungen:

 

  • Wie schaffen wir es, dass die Fahrzeuge tatsächlich ohne Fahrer fahren?
  • Welche Geschäftsfelder ergeben sich daraus?

Bestrebungen konzentrieren sich auf automatisiertes Fahren

Hinsichtlich der Geschäftsfelder hat man sich vor allem mit Betriebskonzepten beschäftigt, bei denen der Fahrer den größten Kostenfaktor darstellt. Zur Umsetzung dieser Konzepte können selbstfahrende Fahrzeuge einen fundamentalen Beitrag leisten. Insbesondere gilt dies für einen mehr oder weniger frei verkehrenden Bedarfsverkehr als Zubringer für einen linienbetriebenen Verkehr bzw. für die Erschließung ländlicher Räume. Aufgrund der Komplexität und der vielen variablen Größen, die diesem Betriebskonzept zugrunde liegen, wird es jedoch nach der Klärung der rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen auch technologisch noch ein weiter Weg sein bis zum vollständigen Ersatz des Fahrers. Erkennbar wird dies beispielsweise daran, dass man gegenwärtig mehr und mehr Bestrebungen in Richtung automatisiertes Fahren (die Fahrzeugsteuerung wird von der Technik übernommen, aber der Fahrer muss übernahmebereit bleiben) findet und weniger zum autonomen Fahren (komplett fahrerlos). Wie die IT-Einbindung bei selbstfahrenden Fahrzeugen aussehen kann, wird im aktuellen schwedischen Forschungsvorhaben IQMobility betrachtet. Hier wurde sehr schnell deutlich, dass sich mit Hinblick auf das reine Fahren eine gute Verteilung von Rollen und Verantwortung zwischen Verkehrsunternehmen und Fahrzeughersteller finden lässt. In diesem Projekt unter Beteiligung von INIT wurde eine Architektur entwickelt, in der der Fahrzeughersteller die Verantwortung für das Fahren an sich übernimmt (Rolle: Fahren) und das Verkehrsunternehmens die Verantwortung für die zu fahrende Strecke mit ihren Haltepunkten trägt (Rolle: Fahrautrag). Für beide Rollen gibt es entsprechende IT-Systeme, für die Kommunikationsschnittstellen identifiziert, spezifiziert und prototypisch implementiert wurden.

Bild: Beim schwedischen Forschungsprojekt IQMobility erforschen Nahverkehrsexperten u.a. die Rollenverteilung von Verkehrsunternehmen und Fahrzeugherstellern beim autonomen Fahren. INITs Intermodal Transport Control System MOBILE-ITCS bietet die Möglichkeit, Umläufe autonom fahrender Fahrzeuge im Detail abzubilden.

Die fehlende soziale Komponente fahrerloser Fahrzeuge

Im Projekt wurde aber auch deutlich, dass der Fahrer nicht nur die Funktion des Fahrens übernimmt. Er hat zahlreiche weitere Aufgaben wie den Fahrscheinverkauf, die Zugangskontrolle oder auch die Überwachung des Fahrgastinnenraums. Wenn kein Fahrer im Fahrzeug ist, müssten technische Einrichtungen diese Aufgaben übernehmen. Für Aufgaben wie beispielsweise den Fahrscheinverkauf gibt es schon technische Lösungen in Form von Fahrkartenautomaten oder mobilen Applikationen. Für die Zugangskontrolle oder die sogenannte soziale Kontrolle allein durch die Anwesenheit des Fahrers gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch keine vollumfänglichen Lösungen. Die Suche nach Systemen für den Ersatz der weiteren Funktionen und Aufgaben des Fahrers durch Technologie ist ein breites Forschungsspektrum. Dies gilt sowohl für die Möglichkeiten und die Akzeptanz von Ersatzlösungen als auch für die konkrete Technologieentwicklung.

Einführungsstrategie und deren Umsetzung

In vielen Publikationen rund um selbstfahrende Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr wird ein weiterer Aspekt gegenwärtig oftmals vernachlässigt oder übersehen – dabei ist er ein weiterer wesentlicher Baustein hin zum fahrerlosen Betrieb: die Tatsache, dass selbstfahrende Fahrzeuge für den ÖffentlichenVerkehr gar kein Neuland sind. Schließlich gibt es schon vielfältige und langjährige Erfahrungen mit fahrerlos fahrenden U-Bahnen oder – allgemeiner formuliert – spurgeführten Systemen im In- und Ausland (etwa das Projekt RUBIN in Nürnberg und die Londoner Docklands Light Railway). Die Strategie bei der Einführung selbstfahrender Fahrzeuge kann also auf die bereits vorhandenen Erfahrungen aufbauen. Andererseits ist die Hauptaufgaben noch ungelöst, die unterschiedlichen Verkehrsmittel (spurgeführt bzw. straßengebunden), aber auch die verschiedenen Betriebsformen(angebotsorientierter Linienverkehr und nachfragegesteuerter Bedarfsverkehr) möglichst effizient zu kombinieren. Aufgrund der bereits vorhandenen Erfahrungen in den Verkehrsunternehmen wird eine Einführungsstrategie selbstfahrender Fahrzeuge im Fahrgastbetrieb ausgehend von den spurgebundenen Verkehren sukzessive mit einer schrittweisen Erhöhung der Komplexität umgesetzt werden. Daher ist davon auszugehen, dass als nächstes Busse mit einer weitgehend eigenenInfrastruktur (sogenannte Bus Rapid Transit Systeme), d.h. auf einer eigenen vom sonstigen Verkehr abgetrennten Strecke und mit klar definierten Fahrplänen, ohne Fahrer verkehren. Anschließend werden höchstwahrscheinlich normale Linienverkehre und erst dann komplett freie Bedarfsverkehrevollständig fahrerlos sein. Auf Basis dieser Einführungsstrategie sind die Anbieter öffentlichen Verkehrs geradezu dafür prädestiniert, ihre Kernkompetenz – der Betrieb gemeinschaftlich genutzten Verkehrs– um den Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge zu erweitern. Daher ist die Schaffung einer offenen und standardisierten Referenzarchitektur in Verbindung mit Rollenmodellen und Kooperationsszenarien ebenfalls einer der nächsten Schritte, die es in Angriff zu nehmen gilt. INIT ist als langjähriger Partner der Verkehrsunternehmen und als Anbieter eines umfangreichen Portfolios von integrierten IT-Systemen für die Aufgabenstellungen des öffentlichen Verkehrs bestens aufgestellt, um sowohl für die Schaffung der erforderlichen Rahmenarchitektur als auch für die Entwicklung neuer technologischer Lösungen einen Beitrag zur Einführung fahrerloser Fahrzeuge zu leisten.

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